Erntezeit

von Svenja Penzel

Svenjas Zeug„Da wird nix mehr!“ Die Worte meines Schwiegervaters klingen mir noch im Ohr. Es war im Mai, die Erdbeeren im Garten blühten spät, kaum ein Insekt umschwirrte sie. Aber es war warm. Zur richtigen Zeit. Hier im kühlen Vogtland zieht sich der Frost bis in den Juni und kommt Ende August schon wieder, sagen die Zyniker. Diesmal hat es uns geholfen. Während anderenorts in Deutschland die Blüten erfroren und der späte Frost Ernteaussichten jäh zunichtemachte, hatten unsere Erdbeeren noch nicht mal Knospen.

Und mein Schwiegervater wird eines Besseren belehrt. Ende Juni haben wir eine prachtvolle Erdbeerernte wie noch nie. Nachdem die erste Ernte mehr oder weniger vernascht wird (es geht doch nichts über eine saftige, sonnenwarme Erdbeere direkt vom Strauch), geht es bei der zweiten Ernte ans Eingemachte. Es ist ein heißes Wochenende. In den ersten beiden Beeten, wo die Pflanzen schön in Reih und Glied stehen und dazwischen Platz für die eigenen Füße lassen, komme ich gut voran. Schüssel um Schüssel wandert in den kühlen Hausflur, gegen Mittag habe ich vier Kilo geputzt und eingefroren. Dann habe ich noch das dritte Erdbeerbeet vor mir, das seit Jahren einfach vor sich hin wächst und nicht weiter gepflegt wird. Die Erdbeeren stehen hier viel dichter und machen das Ernten schwieriger. Mir läuft der Schweiß, während ich mich verrenke, um an die dicken roten Früchte zu kommen, ohne sie zu zertreten. Für dieses Beet brauche ich doppelt so lange wie für die anderen beiden zusammen. Die Ernte lässt sich sehen. Die Schwiegermutter backt eine Erdbeertorte. Für die Kinder gibt es einen Erdbeer-Milchshake. Am Abend koche ich Erdbeermarmelade. Eine Schüssel mit ganzen Früchten wandert in den Kühlschrank. Die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld. Endlich alles geputzt, geduscht, Füße hochgelegt und ein kühles Savanna aufgemacht. Ich bin fix und fertig.

Montagmorgen gibt es Erdbeeren aufs Müsli und Erdbeeren zum Mitnehmen ins Büro. Als ich heimkomme, um zum Abendessen ein tolles neues Rezept auszuprobieren (Erdbeeren mit Avocado auf Rucola, dazu ein Dressing aus Ahornsirup und Balsamico-Essig – sehr lecker übrigens), empfängt mich der Geruch von Gebackenem. Als ich die Tür zur Küche öffne, sehe ich das Meisterwerk meiner Tochter: Cupcakes mit Schokocreme, und jeder ist mit einer Erdbeere verziert. Sehr hübsch anzusehen. Ich muss aber schauen, wo ich hintrete, denn auch der Boden ist stellenweise mit Schokocreme verziert, die Arbeitsplatte und Spüle und das gesamte noch herumstehende Arbeitswerkzeug ebenfalls. Nach einem großen Kompliment an die Bäckerin mache ich mich an die nächste Putzaktion. Da habe ich mir doch wieder ein Savanna verdient. Als es draußen dämmert und die Temperaturen wieder erträglicher werden, streife ich durch den Garten und schaue auf das Erdbeerbeet. Da hängt noch einiges, was demnächst reif wird. Mein Blick schweift weiter zu den roten und schwarzen Johannisbeeren, den Himbeeren und den Stachelbeeren. Die sind jetzt auch fast reif. Ich hingegen bin urlaubsreif.

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