Ein Abwasch!

Eines Morgens tritt Marco mit ernstem Gesicht auf mich zu: „Svenja, wir haben ein Problem“. Es tritt eine unangenehme Pause ein, in der mir tausend Gedanken durch den Kopf schießen. Als die Stille unerträglich wird und ich mich auf das Schlimmste gefasst mache, lässt er endlich die Katze aus dem Sack: „Unser Geschirrspüler ist kaputt.“ Ich atme erst einmal aus. Dann gehen wir in die Küche und begutachten den Schaden.
Ja, das Ding macht keinen Mucks mehr. Und es ist randvoll mit schmutzigem Geschirr, in der Spüle steht weiteres. Halb so wild, denke ich, wasche ich halt von Hand ab. Wie damals, als ich noch allein wohnte, vor fast 20 Jahren. Da ging das doch auch.
Doch schnell wandelt sich der anfängliche Elan in Frust. Ich wohne nicht mehr allein. In unserem Vier-Personen-Haushalt kochen auch schon die Kinder. Viele Töpfe und Pfannen kommen zum Einsatz, und es verkrusten auch gern mal Essensreste auf Tellern irgendwo im Haus. Das ist eine andere Herausforderung als damals. Ich schrubbe. Ich kämpfe. Und ich schimpfe vor mich hin. Der Geschirrberg türmt sich schließlich auf dem Abtropfgitter, das natürlich viel zu klein ist. Ich schnappe mir das Geschirrtuch. Der Berg schrumpft langsam. Unnötig heftig pfeffere ich Gabeln, Messer und Löffel in die Besteckschublade.
Wann habe ich zuletzt massenweise Besteck von Hand abgetrocknet? Muss noch zu Kinderzeiten in einer Jugendherberge gewesen sein, als wir Tischdienst hatten. Und dann später wieder, auf unseren Campingsafaris, mitten in der Wildnis, im Finstern, schlecht beleuchtet von unseren Stirnlampen. Mit Wasser, das wir im Kessel über dem Lagerfeuer heißgemacht haben. Auf einmal fluten mich die Erinnerungen ans Abwaschen in Afrika. Wie wir die gusseisernen Töpfe mit einer Mischung aus Sand und harter Termitenhügel-Erde sauber gekriegt haben. Wie unsere Begleiter im Okavango-Delta, die Poler, laut schwatzend und singend die Teller im klaren Flusswasser abgespült haben. Wie wir Abend für Abend, in immer anderen Teams, den Abwasch gemeinsam gewuppt und uns dabei noch toll unterhalten haben.
Ich halte inne. Gemeinsam. Das war das Stichwort. Warum mache ich das hier eigentlich ganz allein?
Der Abend kommt, Marco kocht. Nach dem Essen steht die Spüle wieder voll. Diesmal entkommen mir die Kinder nicht. Ich spüle, sie trocknen ab. Anfangs schimpfen sie. Dann fügen sie sich in ihr Schicksal. Wir machen uns Musik an, unterhalten uns, und schon bald haben wir es geschafft.
Ein Dauerzustand soll das natürlich nicht werden. Doch bis der Elektriker den Fehler lokalisiert und behoben hat, werden wir sicherlich noch ein paarmal abwaschen müssen. Ob ich es schaffe, die Kinder bei Laune zu halten? Vielleicht, indem es hin und wieder Fertigpizza oder eine Lieferung vom Dönerladen gibt. Das hat ja auch noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Man spart Geschirr.
Svenjas Zeug
- Auf und ab
- Stille Zeit?
- Frisch gebacken
- The Crossing
- Ein Abwasch!
- Eine Frage der Perspektive
- Aufgebrezelt
- Verloren und gewonnen
- Stille
- Drei schwere Nüsse
- Angestachelt
- Erntezeit
- Wir blicken's nicht
- Gruseln im Dreivierteltakt
- Mit eigenen Augen
- Schweinerei
- Schuh-Parade
- Schnappschüsse
- Tatort Sofa
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