„Ein gesundes, kräftiges Weibchen.“ Mit diesen Worten entlässt Corinna Heinrich den Inhalt des Handtuchs sanft in eine Transportbox, die mit Zeitungspapier und Stroh ausgekleidet ist. Begeistert nimmt meine Tochter den Igel in seiner vorübergehenden Behausung entgegen. Es ist Mai, der Frost selbst im kalten Vogtland vorüber, die Temperaturen steigen und Frau Heinrich entlässt die über 90 Fund-Igel, die bei ihr überwintern durften, in gute Hände bzw. geeignete Gärten. Als wir über eine Arbeitskollegin von der Igelpflegestation Bad Elster hörten, waren vor allem die Kinder gleich Feuer und Flamme. Wenn Sie schon kein Haustier haben dürfen, dann ... (weiterlesen)

„Da wird nix mehr!“ Die Worte meines Schwiegervaters klingen mir noch im Ohr. Es war im Mai, die Erdbeeren im Garten blühten spät, kaum ein Insekt umschwirrte sie. Aber es war warm. Zur richtigen Zeit. Hier im kühlen Vogtland zieht sich der Frost bis in den Juni und kommt Ende August schon wieder, sagen die Zyniker. Diesmal hat es uns geholfen. Während anderenorts in Deutschland die Blüten erfroren und der späte Frost Ernteaussichten jäh zunichtemachte, hatten unsere Erdbeeren noch nicht mal Knospen. Und mein Schwiegervater wird eines Besseren belehrt. Ende Juni haben wir eine prachtvolle Erdbeerernte wie ... (weiterlesen)

Ich will mein Auto verkaufen. Einen VW Polo, den wir als Zweitwagen nutzen. Seit ich zu Fuß auf Arbeit gehen kann, steht er bei uns eigentlich nur noch herum. Von Weihnachten bis März wurde er überhaupt nicht bewegt, und damit fiel die Entscheidung: das Auto muss weg. Aber zunächst einmal muss es auf Vordermann gebracht werden. Eines schönen Samstags fahre ich den Polo durch die Waschstraße und parke ihn anschließend bei uns auf dem Hof. Türen auf und alles raus: ein Deutschland-Straßenatlas von 2008, Schneefeger, Scheiben-Enteisungsspray, Bonbonpapiere, Kinderkassetten (das Auto hat tatsächlich noch ein Kassettendeck) und eine ... (weiterlesen)

Die elegant gekleideten Gäste drehen sich auf dem Parkett. Walzermusik erklingt, bekannte Melodien von Johann Strauß zum Mitschunkeln. Und tatsächlich, die durchweg weiblichen und durchweg hübschen Geigerinnen des Orchesters schunkeln beim Spielen auch. Dabei strahlen sie in die Kameras oder gucken kokett zu ihren Orchesterkolleginnen, oder schwärmerisch zum Maestro. Gehüllt in pastellfarbene, tief dekolletierte Rüschenkleider sind sie echte Hingucker auf der Bühne. Mein Mann hatte mich aus der Küche ins Wohnzimmer gerufen, wo im Fernsehen die Übertragung des Opernballs der Semperoper Dresden läuft, mit den Worten „Guck mal, die spielen Strauß, das magst du doch so!“ Ich grinse ... (weiterlesen)

Okavango-Delta, Botswana, November 2016. Es ist heiß, der Regen hat noch nicht eingesetzt. Wir sitzen im offenen Pirschfahrzeug, das zum Glück ein Schattendach hat. Der Guide steuert auf einen großen Baobab zu, der schon grüne Blätter treibt. Ein Funkspruch seines Kollegen hat ihn hierher geführt. Noch ein, zwei Bäume hinter dem Baobab ist die Stelle. Wir bleiben stehen, die ersten Ahs und Ohs erklingen. Drei große Teleobjektive erheben sich synchron. Der Guide hat wohl wissend das Fahrzeug so positioniert, dass die Besitzer der drei langen Objektive, sie sitzen alle linksaußen, die beste Sicht haben. Auf einem Ast döst ... (weiterlesen)

279 Paar Schuhe kauft sich die durchschnittliche deutsche Frau im Laufe ihres Lebens. Und so zirka 20 Paar hat sie aktuell. Soweit die Statistik. Bei mir habe ich nicht nachgezählt, aber eins weiß ich sicher: Es sind zu viele, die ich nicht mehr anziehe. Das stimmt für die anderen drei Familienmitglieder ebenso. Und das beweist nicht nur unser überquellendes Schuhregal im Flur, sondern auch unser kleiner Lagerraum im Keller, wo man vor lauter kreuz und quer stehenden Schuhen kaum noch an die Getränkekästen kommt. Wie ein Wink des Schicksals bietet da gerade eine Supermarktkette ein praktisches Schuhregal aus ... (weiterlesen)

Samstagvormittag, die Sonne scheint, es ist frühlingshaft warm. Wir stehen auf dem großen freien Platz vor der Frauenkirche in Dresden. Ein Seifenblasenkünstler zaubert ein Kaleidoskop an schillernden Blasen, die sich über den Platz verteilen, Kinder springen und greifen danach, unsere zwei mittendrin. Auf einem kleinen Holzpodest steht ein Klavier, jemand spielt Rachmaninoffs Prelude Opus 23 Nr. 5, es ist wie ein kleiner Traum. Ich bin glücklich. Wir sind mit der Familie für drei Tage nach Dresden gefahren, ein kurzer Urlaub am Ende der Osterferien. Es ist für uns, die wir auf dem Land wohnen, immer etwas Besonderes, in ... (weiterlesen)

Soll ich warten oder nochmal rauffahren? Unschlüssig stehe ich am Fuß der Skipiste, nicht weit vom Lift, und schaue angestrengt den Erlbacher Kegelberg hinauf. Er kommt und kommt nicht. Die Minuten verrinnen. Ich bin schon drauf und dran, mich nochmal am Lift anzustellen, da fährt schwungvoll ein unbekannter Skifahrer auf mich zu, bremst ab und fragt „Warten Sie auf Ihren Sohn?“ Er hält die Hand in Brusthöhe, die Größe beschreibend. „Blaue Jacke, grüner Helm?“– Dieser Moment, wenn einem hundert Gedanken durch den Kopf schießen. „Ja“. – „Er liegt da oben, er ist gestürzt und kommt allein nicht runter, ... (weiterlesen)