Vom Kanga Camp an den Sambesi
Mana Pools, 10. November 2018
Wir sitzen beim Frühstück auf der Terrasse des Kanga Camps. Es liegt im Hinterland des Mana Pools Nationalparks an der einzigen Wasserstelle weit und breit. Unser Guide zählt auf, welche Tierarten hier im Laufe des Tages zum Trinken kommen. Zu den ersten Besuchern am Morgen zählen die Tauben, sagt er. „Naja, Tauben sind halt Tauben“, sagt eine junge Frau am Tisch. Man könnte ihren Satz fortsetzen mit „... nichts Besonderes“. Da schüttelt der Guide den Kopf: „Für uns hier draußen im Busch ist nichts einfach nur irgendetwas.“ Und er legt los, berichtet eine ganze Reihe interessante Details über die Tauben. So gehören sie zu den wenigen Vogelarten, die beim Trinken den Kopf nicht heben müssen, erklärt der Guide. Ich nehme mir vor, zu Hause zu überprüfen, ob deutsche Tauben auch beim Trinken das Wasser nach oben ziehen können.
Dass die Guides hier in Simbabwe nicht nur den großen Tieren Beachtung schenken, sondern auch den weniger spektakulären Kreaturen und begeistert ihr schier unendliches Wissen darüber teilen, gefällt mir. Allzu leicht können die großen Tiere, die hier am Wasserloch von Kanga die Bühne betreten, den anderen die Show stehlen. Am Vorabend, wir waren gerade angekommen, habe ich gleich das Fotografen-Versteck („Hide“) erkundet. Es befindet sich quasi im Kellergeschoss unter der Restaurant-Terrasse und bietet eine spannende Perspektive zum Fotografieren. Da kam der erste Elefant so nah, dass ich von Tele- auf Weitwinkelobjektiv wechseln musste. Beim Dinner lag das Wasserloch dann direkt hinter unserem Esstisch im Dunkeln. Ab und zu leuchtete der Guide mit dem Scheinwerfer über das hölzerne Geländer. Einmal fiel der Lichtstrahl auf zwei stattliche Löwen, Elefanten wechselten sich mit Büffeln ab. Und dann kam auch noch ein Leopard zum Trinken. Er war vielleicht 80 Meter von uns entfernt, direkt vor dem Familien-Zelt.
Das Camp steht hier permanent, ist aber in der Regenzeit von Dezember bis März geschlossen. Man wohnt in großen Hauszelten mit Holzfußboden. Das Badezimmer mit Spültoilette, Dusche und Waschtisch liegt unter freiem Himmel. Beim Duschen hörte ich Elefanten nur ein paar Meter entfernt im Gebüsch fressen.
Die Gegend um das Kanga Camp ist trocken. Unsere Pirschfahrt ist deshalb nicht so spannend. Dafür zieht das Wasserloch am Camp fast alle Tiere aus der Umgebung an. Man kann also auch auf der Terrasse im Sofa sitzen bleiben und eine „armchair safari“ genießen, die der Betreiber African Bush Camps empfiehlt.
ZAMBEZI EXPEDITIONS CAMP
Bald müssen wir weiter fahren und erreichen nach etwa einer Stunde das Ufer des Sambesi-Flusses. Hier errichtet African Bush Camps gerade eine neue, luxuriöse Lodge, das Nyamatusi Camp. Bei unserem Besuch stehen die ersten Zelte, sie sind aber noch nicht eingerichtet, die privaten Plansch-Pools noch nicht mit Wasser gefüllt. Für uns geht es weiter zum Zambezi Expeditions Camp. Dessen sechs kleineren Hauszelte stehen innerhalb von Mana Pools direkt am Ufer des Sambesi. Hier wird der Stil der alten Safari-Pioniere gefeiert. Die Zelte könnten jederzeit abgebaut und an der nächsten Station der Expedition wieder errichtet werden. Also gibt es keine fest verlegten Wasserleitungen. Das Reservoir der Busch-Dusche hinter der Zelten wird mit warmem Wasser gefüllt, wann immer es die Gäste wünschen.
Am Nachmittag unternehmen wir eine Kanutour auf dem Sambesi. In jedem Boot sitzen zwei Gäste und hinten ein Guide. Man kann ihm beim Paddeln helfen, wenn man will. Man kann sich aber auch einfach zurücklehnen und die Ruhe auf dem großen Strom mit Blick auf die Bergkette hinter dem nördlichen Ufer in Sambia genießen. Zu den Hippos, die hier und da ihre Köpfe aus dem Wasser strecken, halten wir respektvollen Abstand. Ich habe schon Geschichten über gefährlich nahe Begegnungen mit den Flusspferden gehört. Bei unserer Tour fühle ich mich aber jederzeit sicher.
Bei Ankunft am Ufer warten gekühlte Getränke zum Sundowner auf uns. Später ist das Camp in das warme Licht von Petroleum-Lampen getaucht. Der Esstisch ist im halboffenen Speisezelt gedeckt. Wir lassen uns Lammkoteletts mit gebackenen Kartoffeln und Gemüse schmecken. Kurz bevor das Desert serviert wird, zeigt der Guide mit dem Finger nach draußen in die Dunkelheit: „Elephant!“ Ich muss zweimal hinsehen bis ich begreife, dass die grauen Säulen die Beine des Elefanten sind, der langsam direkt am Zelt vorbeischreitet. Wie er es schafft, sich nicht in den Abspannschnüren zu verfangen, ist mir ein Rätsel.
Später, als wir am Lagerfeuer zusammensitzen, habe ich noch zweimal Grund zu staunen. Grund Nummer eins ist ein Guide, mit dem wir auf Politik zu sprechen kommen. In Simbabwe, dessen einst blühende Wirtschaft zusammengebrochen ist, nachdem aus einem Freiheitskämpfer an der Regierung ein Diktator geworden ist. Fast 40 Jahre lang wurde das Land von Robert Mugabe regiert, bis er 2017 schließlich in den Ruhestand geschickt wurde. „Bei den dann folgenden Wahlen habe ich mit kandidiert“, erzählt der Guide. Er sei am Ende auf Platz fünf gelandet. Demokratie brauche Machtwechsel, und dafür müssen Alternativen zur Wahl stehen, ist der Mann überzeugt. Als sich meine Blicke gerade im Sternenhimmel über uns verlieren und meine Gedanken über die politischen Alternativen daheim in Deutschland, sagt der Guide plötzlich: „Steht auf, steht auf!“ Er hat sein Gewehr mit am Lagerfeuer und bedeutet uns, dass wir einige Meter entfernt hinter ein paar Büschen in Deckung gehen sollen. Der Elefant ist wieder da. Er schreitet quer durchs Camp und macht dabei auch keinen Bogen um den Feuerplatz. Bald ist er hinter dem Küchenzelt im Dunkeln verschwunden und lässt uns mit einem zweiten Grund zum Staunen zurück. Von wegen, wilde Tiere haben Angst vor einem Lagerfeuer.
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