Funkstille

von Svenja Penzel

Irgendwie fühlt es sich komisch an. Ich denke so oft an sie. Viel mehr als sonst. Wundere mich über mich selbst. Ich kann doch sonst so gut loslassen. Doch immer wieder dieses „Was sie wohl gerade macht? Ob sie auch an uns denkt?“ Die Oma ruft an. „Hast Du schon was gehört?“ Ich: „Nein, wird schon alles in Ordnung sein.“ Weit weg ist sie ja nicht, die neunjährige Tochter auf ihrer ersten Klassenfahrt. Und doch war es bewegend am Morgen, als die Kinder sich an der Schule trafen, die Eltern mit den großen Reisetaschen im Schlepptau. Manche der Drittklässler total aufgekratzt, manche sehr still, manche mit rotgeweinten Augen. Der Abschied ist kurz, Elise nimmt mich kaum noch wahr, sie gehört zu den aufgekratzten. Doch dann später auf der Arbeit erwische ich mich immer wieder in Gedanken an sie. Ob es wohl klappt mit dem Skifahren trotz des wenigen Schnees? Wie es wohl denjenigen geht, die morgens verheult waren? Die Kinder haben Handy-Verbot, doch da ist doch auch ein Papa als Betreuer mit... könnte man den denn nicht... Nein, natürlich nicht. Die Blöße gebe ich mir nicht. Später am Abend macht mein Handy „Bling“. Nachrichten in der Whatsapp-Gruppe der Eltern. Eine Mutti fragt: „Hat schon jemand was von unseren Kids gehört?“ Oje, die arme Frau, sie hat die falsche Frage gestellt. Nun wird sie cyber-vermöbelt. Kommentare von „Geht’s noch?“ bis „Einfach mal loslassen“ kommen in kurzen Abständen. Empörung macht sich breit, andere Eltern nehmen die Fragende in Schutz. Ich halte mich lieber raus. Etwas Neues erfahren wir hier eh nicht, da hilft auch die moderne Technik nicht weiter. Es ist ja auch gut so. Gut, dass die Kinder ein paar Tage auf ihre Handys und elektronischen Spiele verzichten müssen. Und gut, dass wir Eltern nicht immer wissen, was sie so treiben. So übe ich mich in Geduld und versuche, das komische Gefühl beim Blick auf den leeren Platz beim Abendessen und auf das leere Kinderbett zu ignorieren. Nach drei langen Tagen kehrt die Schulklasse zurück, und ich nehme meine Tochter wieder in die Arme. Sie guckt müde und sagt nicht viel. Erst abends, als sie sich lautstark mit ihrem kleinen Bruder streitet, ist meine Welt wieder in Ordnung.

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