Abschied von der Bahnhofstraße

von Svenja Penzel

Oft stand ich vor dieser verwilderten Wiese und dem altehrwürdigen Haus unter den großen Rotbuchen, das die Leute aus unserem Dorf „die alte Villa“ nannten. Erträumte mir, dass jemand das marode Haus sanieren und wir für Outback Africa eine ganze Etage mieten würden. Doch über die Jahre geschah nichts, das leerstehende Haus verfiel weiter, auf der Wiese grasten die Pferde des Nachbarn. Im Outback-Büro in der Bahnhofstraße in Bad Elster wächst dagegen die Unzufriedenheit. Zu wenig Platz, zu langsames Internet, zu schwache Heizung, zuviel Lärm durch die dünnen Fenster von der Hauptstraße und von den Sägen und Gartengeräten der Nachbarschaft, und eine unbefriedigende Parksituation. Uns ist klar, ewig können wir da nicht bleiben. Eines Tages, es fühlt sich gerade wieder an, als ob mir ein Rasenmäher quer durchs Hirn geschoben wird, packt mich die Neugier. Ich rufe bei den Eigentümern an und frage, was das Villengrundstück in Sohl kosten soll. Die Antwort kommt prompt und klingt recht erfreulich. Ein Jahr darauf rückt der Abrissbagger an. Die alte Villa ist nicht mehr zu retten. Doch damit steht auch fest, wir können unser neues Büro so bauen, wie wir es uns wünschen. Die Bauarbeiten beginnen Ende März. Beim Richtfest im Juni können die Kollegen ihre künftigen Büroräume erstmals begehen, Ende November sind die meisten Arbeiten erledigt und auch der Garten ist gestaltet. In der Bahnhofstraße wird es derweil ungemütlich. „Haben wir noch Polsterumschläge?“ – „Schon verpackt!“ – „Und die Tansania-Reiseführer?“ „Auch schon verpackt“. Arbeiten ist schwierig in diesen Zeiten. Die letzten Tage in unserem alten Büro sind anstrengend. Wir sitzen zwischen gepackten Umzugskartons, die hellen Schreibtischleuchten sind bereits abgeschraubt und ins neue Büro versetzt, ersatzweise hängen nackte Glühlampen von der Decke und tauchen die hohen Räume in ein gelblich-trübes Licht. Es ist Zeit für uns zu gehen. Der Abschied nach dreieinhalb Jahren fällt nicht schwer. An meinem letzten Arbeitstag in der Bahnhofstraße ziehe ich die Tür hinter mir zu und muss grinsen. Auf den Treppenstufen nach unten wird mir ganz leicht ums Herz, ich hüpfe geradezu auf dem Weg zum Parkplatz und lasse im Auto erstmal einen Freudenschrei los. Was vor zwei Jahren noch ein verrückter Traum war, wird nun wahr. Wir ziehen in unser eigenes Büro-Haus. Ich habe wieder Himmel vor meinem Fenster und warme Füße schon am Vormittag. Ich freue mich auf die nächsten 20 Jahre und auf den nächsten Sommer und den Nachmittagskaffee im Garten.

ein Kommentar

Ulrich Köhler

01.01.2015 um 12:52

Hallo Svenja,
Gratulation zum neuen Domizil, und alles Gute für das ganze Team im neuen Jahr!
Herzlichst - Ulrich