Übel mitgespielt

von Svenja Penzel

Ta-ta-ta-taaaa! Beethovens Fünfte, haben Sie bestimmt gleich erkannt. Seit Monaten proben wir dieses Stück, zu meinem Leidwesen, denn ich mag Beethovens Fünfte nicht. Ich mag überhaupt Beethovens Musik nicht besonders gern, das sag ich mal ganz frei heraus, auch wenn Sie jetzt die Stirn runzeln. Aber wenn man in einem Orchester spielt, in dem der Dirigent das Programm bestimmt, dann spielt man natürlich das, was er auflegt. Das Konzert ist nahe. Und wir können dieses schwere Werk noch nicht richtig gut. Wenn man wie ich eine Geige unter vielen ist (auch genannt „Tuttischwein“), fällt ja nicht jeder unsaubere Ton auf. Doch es hapert noch mit den Einsätzen - vor allem denen nach den Fermaten - und das Zusammenspiel im dritten Satz lässt auch noch zu wünschen übrig. Am Montag war die Generalprobe. Ich bin mit Bauchschmerzen hingegangen. Wieso eigentlich? Ich habe doch sonst vor Konzerten keine Bauchschmerzen, und erst recht nicht vor Generalproben. Bin ja auch ein alter Hase im Orchester-Geschäft, spiele seit meinem siebten Lebensjahr Geige und habe schon viele Konzerte absolviert. Doch die Bauchschmerzen nehmen während der Probe zu, noch vor der Pause muss ich raus, der Dirigent schaut mir verwundert hinterher. Ich laufe ein paar Schritte auf dem Parkplatz durch die Kälte, hole tief Luft. Was ist das nur? Ich höre, wie sie drinnen wieder beginnen, Beethovens Fünfte, erster Satz. Ich gehe wieder rein. Eigentlich will ich zurück zu meiner Geige, die noch auf meinem Stuhl neben meiner Pultnachbarin liegt, doch fühle mich zu schwach. Ich sinke im Zuschauerraum auf einen der Stühle, höre mir die Sache mal aus der Publikumsperspektive an. Vor mir die ganze Bühne, ich habe alle im Blick, so ist das sonst nie, wenn man selbst mitspielt. Interessant - aber mir ist schlecht. Da kann Beethoven nichts dafür. Die Bratschen und Celli spielen den romantischen Beginn des zweiten Satzes. Ich versuche mich hinzulegen, aber das geht bei diesen Stühlen wegen der Armlehnen nicht. Ich quäle mich so dahin. Würde gern nach Hause fahren, aber ich bin mit einer Fahrgemeinschaft da, und die Kollegen wollen sicher nicht wegen mir die Generalprobe abbrechen. Der dritte Satz. Oh... er ist wirklich noch nicht gut. In meinem Bauch grummelt es heftig. Ich renne zum Klo. Gerade noch rechtzeitig. Hinterher fühle ich mich besser. Aus dem Zuschauerraum höre ich mir den Rest des dritten Satzes und dann noch den vierten Satz mit den viel zu vielen Schlussakkorden an. Endlich ist es vorbei. Der Dirigent hat heute mächtig die Zeit überzogen. Gerade heute! Ich gehe zur Bühne, will meine Geige holen, meine Pultnachbarin reicht sie mir, andere kommen hinzu, alle gucken mitleidig und fragen: „Was ist denn mit Dir?“ Ich grinse schwach. „Ich finde Beethovens Fünfte echt zum K...!“ (Ich hoffe, der Dirigent hat’s nicht gehört und niemand hat mich verpetzt.)

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