Bis aufs Blut - oder: Leiden für die Firma

von Svenja Penzel

Aus meinem Reiseprotokoll. Kenia, 19. Mai 2012.Wir erreichen die Mara Sopa Lodge und steigen aus. Nachdem ich mein übliches Zeug aus dem Landcruiser geholt habe (Kamera mit zweitem Objektiv, Klemmbrett mit Besichtigungsprotokoll und Stift), werfe ich die Beifahrertür mit Schwung zu und schreie entsetzt auf - mein rechter Daumen steckt noch darin. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich begreife, dass ich mit der linken Hand den Türgriff hochziehen muss, um ihn wieder herauszubekommen. Er sieht lila und irgendwie verformt aus, das Blut läuft daran herunter. Ich muss mich erstmal setzen. Irgend jemand rennt los und holt Eis. Es scheint eine Ewigkeit zu vergehen, und der Boden unter mir ist gesprenkelt. Mir geht es nicht gut. Der Schmerz ist fast nicht auszuhalten. Schließlich bekomme ich Eiswürfel und einen feuchten Lappen. Dann kommt auch schon "Dr. Sopa" - der hoteleigene junge Arzt. Er nimmt mich mit in sein kleines Behandlungszimmer, wo ich auf einen Stuhl sinke. Nachdem er den Daumen von allen Seiten angeschaut und mit Jod betupft hat, meint er, ich werde den Nagel wohl verlieren. Er sucht Bandagen und Pflaster heraus und fragt mich, ob ich Schmerzmittel dabei habe. Ich nicke nur noch, sprechen kann ich gerade nicht mehr, und die Frage, wie meine Schmerztabletten heißen, kann ich auch nicht beantworten. In meinem Kopf ist irgendwie alles leer. Während der Doktor den Daumen verbindet, beginne ich zu schwitzen und rutsche noch etwas tiefer in den Stuhl, um meinen Kopf an die Lehne zu lehnen. Ich weiß nicht, ob ich gleich ohnmächtig werde oder mich übergeben muss. Zum Glück passiert weder das eine noch das andere, und nach einer Weile fällt mir das Wort "Ibuprofen" auch wieder ein. "Viel zu schwach", meint der Doktor, und gibt mir andere Schmerztabletten. Zwei soll ich sofort nehmen und dann eine alle 12 Stunden nach Bedarf. Dann schaut er mich erwartungsvoll an, seine Arbeit ist erledigt. Ich schaffe ein schwaches "Danke", komme aber nicht hoch und frage, ob ich noch ein wenig sitzen bleiben darf. Na klar, meint er, ich dürfe mich auch hinlegen. Das muss dann aber doch nicht sein. Nach ein paar Minuten bin ich soweit und stehe vorsichtig auf. Mit wackligen Knien laufe ich zur Rezeption, wo ich schon erwartet werde. Ich bin ja schließlich nicht zum Spaß hier. Also Zähne zusammenbeißen und weiter.An diesem Tag sind alle meine Besichtigungsprotokolle rot befleckt, weil der dünne Verband des Arztes schon bald durchgeweicht ist. Immerhin sind die Lodge-Angestellten sehr freundlich und fürsorglich, ich habe selten so viele "sorry, sorry" auf einmal gehört. Irgendwann setzt die Wirkung der Schmerztabletten ein. Und in den nächsten Tagen darf ich die Frage "What happened to your finger?" sicherlich zwanzigmal beantworten. Blöd nur, dass auch alle weiteren Verbände durchsiffen und die Leertaste der Tastatur, während ich das hier schreibe, rote Spuren erhält.

3 Kommentare

Hannelore

07.06.2012 um 14:15

Hallo Svenja,

die Behauptung, die Verletzung stammt von einem Löwenbiss, kommt bestimmt noch besser rüber.

Susanne

04.06.2012 um 13:48

Genau! Wenn man schon Pech hat, dann muss es wenigstens eine abenteuerliche Geschichte dazu geben - eine profane Autotür gibts schließlich überall - einen Elefanten nicht. Schmück die Story ruhig noch etwas aus, solange der Daumen noch breit ist ;-)

Svenja Penzel

31.05.2012 um 12:03

Heute Morgen fragte mich eine Bekannte, als sie meinen Daumen sah, ob da ein Elefant draufgetreten wäre. Also diese Version gefällt mir in der Tat viel besser als die blöde Fahrzeugtür! :-)