Führungen

von Svenja Penzel

Neulich in unserem Urlaub, auf einer Wattwanderung in der Nordsee vor St. Peter-Ording. Ein fast windstiller, sonniger Abend. Der Sand ist warm, unsere etwa 40-köpfige Gruppe läuft größtenteils barfuß. Unser Wattführer, ein wettergegerbter hagerer Mann in den Sechzigern, hört sich gern reden und Schauergeschichten über im Watt verunglückte Menschen erzählen. Simon lässt das unbeeindruckt. Er nutzt jede Gelegenheit, bei der der Führer stehenbleibt, um im Sand oder Schlick zu spielen. Doch natürlich hat er viele Einwürfe und Fragen, die meist nicht bis zur nächsten Pause der langen Monologe unseres Führers warten können. „Duuuu...“ lässt er sich vernehmen, und dann fragt er etwas, das nicht zum Thema passt oder das erst bei der nächsten Station erklärt werden sollte. Oder er bringt Dinge wie „Das brauchst Du nicht mehr zu erzählen, das hat mir meine Mama vorhin schon erklärt“. Gelächter in der ganzen Gruppe. Ich verkrümele mich unauffällig zwischen den erwachsenen Teilnehmern und hoffe, dass niemand die Verbindung zwischen mir und diesem vorlauten Kind erkennt. Das lässt sich aber spätestens dann nicht mehr vermeiden, als es durch tieferen Schlick geht und ich ihn an die Hand nehmen muss. Es ist herrlich, durch diesen warmen Brei zu patschen. Soll ja auch sehr gut für die Haut sein. Der Wattführer gräbt und zieht einen dicken Wattwurm heraus. Der geht reihum. Simon, der mittlerweile warnend „Mein Freund“ gerufen wird, traut sich nur kurz, ihn in die Hand zu nehmen. Als dann eine Strandkrabbe die Runde macht, ist es vorbei mit seiner Vorwitzigkeit. Er schreit und will sie nicht anfassen. Späte Genugtuung für den Führer, der sich ein Grinsen nicht verkneifen kann.Eine Woche später sind wir in Leipzig in einer Ausstellung über den Regenwald. „Machen Sie die Führung mit, ist auf jeden Fall kindgerecht, gerade für so Kleine“, heißt es am Empfang. Überzeugt. Gekauft. Die energische junge Führerin vermittelt sehr viel Wissen in sehr kurzer Zeit. Verständlich möglicherweise für Schulkinder, jedenfalls nicht für Simon. „Ich will auf den Arm“. „Mir ist heiß“. „Ich habe Durst“. „Ich will ein Eis.“ „Maaaamaaaa“... „Psssst!“. Von der wirklich interessanten Ausstellung und dem eindrucksvollen 360-Grad-Panorama des Regenwalds habe ich nicht viel. Spannend nur der Moment, als es Nacht wird im Regenwald, der Mond leuchtet und die Stimmen der nachtaktiven Tiere zu hören sind. Alles für diesen Moment (frei nach der Bierwerbung).„Wann gehen wir denn nun in den Zirkus?“ - „Zoo, Simon. Das ist was anderes als Zirkus. Im Zoo wollen wir Tiere anschauen.“ Endlich im Leipziger Zoo. Noch im Eingangsbereich fragt Simon: „Wann fängt denn die Vorstellung an, und wo ist das Zelt?“ Als sich seine Stimmung auch nach Gondwanaland, Affengehege, Erdmännchen, drei Eis und zwei Limonaden und einigen Kilometern auf Papas Schultern nicht hebt, treten wir mit dem Auto den Heimweg nach Süden an. Kurz vor dem Ziel im heimatlichen Vogtland ertönt dann von hinten noch die Frage: „Wann kommt denn jetzt der Elbtunnel?“ Ich fürchte, wir haben das Besichtigungsprogramm in diesem Urlaub etwas überfrachtet.

noch keine Kommentare