Beraubter Jäger am Sambesi

von Marco Penzel

Amanzi Bush Camp, 10. Oktober 2017

„Es scheint heute ein Hippo-Abend zu bleiben“, sagt Presley, unser Guide, etwas gelangweilt. Wir sind auf einer Pirschfahrt im Lower Zambezi Nationalpark unterwegs. Wie in Sambia üblich, wird sie nach Sonnenuntergang mit einem Scheinwerfer fortgesetzt. So kann man nachtaktive Tiere entdecken. Viel mehr als ein paar Hasen und eben die Flusspferde haben wir nach einer Stunde noch nicht gesehen. Ähnlich wie Elefanten vertragen die Hippos das blendende Licht schlecht. Presley streift sie deshalb nur kurz mit dem Kegel des Scheinwerfers und lässt sie dann im Dunkeln weiter grasen.

Ich bin schon am Einnicken, da wechselt Presleys Stimmung schlagartig: „Schaut da, er ist auf der Jagd!“ Der Guide richtet das Licht auf einen Leoparden, der vor dem Stamm eines Leberwurstbaums geduckt am Boden sitzt. Dann leuchtet er in die Umgebung. Augen und Ohren von Impala-Antilopen zeichnen sich ab. Jetzt wäre die Zeit für den roten Lichtfilter gekommen, von dem Presley und am Nachmittag erzählt hatte. Im Gegensatz zum weißen Licht nehmen die Tiere das rote kaum wahr. „In kritischen Situationen wollen wir den Gang der Natur möglichst nicht beeinflussen, weder zu Gunsten des Jägers noch seiner Beute.“ Der Guide hat den Rotfilter schon in der Hand, leuchtet nochmal an den Fuß des Baumes. Der Leopard ist verschwunden, hat sich längst aus dem Lichtkegel geschlichen. Das Licht geht aus. Meine Augen sind gerade dabei, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, da gibt es ein kurzes, dumpfes Geräusch. Presley schaltet das Licht wieder ein. Wir sehen gerade noch, wie der Leopard eine Antilope in den Fängen hat und sich mit ihr im Staub überschlägt. „Ein Kill, das ist ein Kill“, springt Presley aufgeregt aus seinem Sitz. Es ist kein Klagelaut zu hören. Offenbar hat die Antilope einen schnellen Tod gefunden.

Der Leopard hat den Hals des Tieres fest im Maul und schleppt es in Richtung des hohen Grases, das Presley „Suicide Grass“ („Selbstmord-Gras“) nennt, weil sich dort oft Großkatzen verstecken. Für Antilopen kann es lebensgefährlich sein, von offenen Plätzen auf solch dichtes, hohes Gras zuzulaufen. Dass der Leopard diesen Weg wählt und seine Beute nicht auf einen Baum in Sicherheit bringt, erweist sich schnell als schwerer Fehler. Kaum eine Minute nach der erfolgreichen Jagd erscheint eine Hyäne, als habe sie nur auf die Gelegenheit gewartet. Sie folgt dem jungen Leoparden ins hohe Gras. Der Kampf dort dauert nicht lange und ist nur durch kurzes Fauchen zu erahnen. Die Katze kommt geschlagen aus dem Dickicht, ihre Beute hat sie verloren. Der Gewinner macht sich sofort daran, das Mahl zu verspeisen. Wir sehen es nicht, hören aber deutlich, wie die Knochen der Antilope zwischen den kräftigen Kiefern der Hyäne zerbersten. Was für ein Erlebnis. Es liefert den Gesprächsstoff Nummer eins beim späteren Abendessen an der Tafel des Anabezi Camps - das uns niemand streitig macht.

Im Anschluss fahre ich noch weiter ins zehn Minuten entfernte Schwester-Camp Amanzi. Die beiden relativ neuen Lodges sind diejenigen, die im Lower Zambezi Nationalpark am weitesten östlich liegen. Nur wenige andere Fahrzeuge stoßen bis in diese Gegend vor.

Anabezi bietet den größeren Komfort. Insgesamt 13 großzügige Zeltchalets verteilen sich auf zwei Flügel des Camps, das von einem Ende zum anderen 600 Meter misst. Jedes Chalet hat einen eigenen kleinen Pool auf der Veranda. Mit nur vier Zeltchalets ist Amanzi viel kleiner und persönlicher. Es gibt nur einen Pool für alle Gäste. Die Zelte sind auf hölzernen Plattformen errichtet, das ganze Camp liegt auf einer Anhöhe. So hat man auch von der Restaurant-Terrasse aus einen wunderbaren Blick auf einen Nebenarm des Sambesi.

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