Reisebericht Äthiopiens Norden

von René Schmidt

Addis Abeba, 22.11. 2015

Jenseits von Outback Africa (an der Wiege der Menschheit und der Zivilisation)

Bei Luxor quert das Flugzeug den Nil, und ich kann tatsächlich von weit oben den Tempel der Hatschepsut erkennen. Ich grüble gleich in der Geschichte (Tut Ench Amun was Nofre täte?). Den Großen Fluss habe ich zuerst in Kairo gesehen, später dann mit dem Victoria-See auch quasi seine Quelle. Jetzt bin ich auf dem Weg zum Ursprung des Blauen Nil.

Der Vorzug des Tagfluges mit spektakulären Aussichten auf Landschaft und Bauwerke wird zum Nachteil, wenn man erst spät landet. Das Erlebnis des Ankommens verblasst so doch etwas in der Dunkelheit. Mit dem Taxi geht es vom Flughafen teils durch Nebenstraßen und über Baustellen zum Hotel an der Haile Gebrselassie Straße. Der erste Eindruck ist recht afrikanisch, Großstadt mit vielen Baustellen. Am nächsten Tag findet der Great Ethiopian Run statt, die größte Laufveranstaltung Afrikas. Haile Gebrselassie, der wohl bekannteste Läufer des Landes, nimmt hier heute seinen Abschied vom aktiven Sport. Mir bleibt nur kurz Zeit, mich mit einigen der 39999 anderen Teilnehmer zu unterhalten, bevor ich vom Hotel abgeholt werde und es Richtung Osten geht, Äthiopien zu entdecken – unbekanntes Terrain für Outback Africa.

In den Awash Nationalpark

Moderne Bauten prägen den Stadtrand von Addis Abeba, bevor es hinausgeht aufs Land. Eine neue Eisenbahntrasse wird neben der alten stillgelegten errichtet, die dann wohl den Schwerlastverkehr Richtung Djibouti entlasten wird. Beim Durchfahren von Nazaret denkt man automatisch an die Stadt in Israel. Dort beginnt etwa am See Genezareth der Große Afrikanische Graben. In der Nähe des äthiopischen Nazaret trifft man auch auf diese Ostafrika so prägende Landschaftsformation, die mich immer wieder fasziniert. Tagesziel ist die kleine Stadt Awash. Es gibt kein betont touristisches Ziel hier, dafür wohl authentisches Äthiopien und genug Zeit, es zu erkunden. Kirche und Moschee fallen ins Auge, im Zentrum lebt der Handel. Ich gönne mir den ersten äthiopischen Kaffee am Straßenrand und versuche, die Gesichter des Landes zu erhaschen. Die Straße ist verkehrsreich, besonders die vielen blauen Bajaj fallen auf – Dreiradfahrzeuge, die man wohl eher Asien zuordnen würde. China ist auch der Hersteller dieser Kurzstreckentaxis. Der östliche Einfluss ist groß im heutigen Afrika.

Am nächsten Tag geht es in den Awash Nationalpark. In der Savannenlandschaft leben Kudus, Oryx-Antilopen und Gazellen. Mit Glück lassen sich auch Löwen und Leoparden erspähen. Beeindruckend ist das Flusstal des Awash, der hier über eine Kante stürzt. Unten am Wasserfall liegen große Krokodile am Ufer. Führt da tatsächlich eine Treppe bis zur Liegewiese der Krokodile?

Große Teile des Nationalparks werden auch von Nomaden genutzt und sind daher Besuchern nicht zugänglich. Viel Zeit bleibt nicht für den Park, wir wollen heute noch weiter nach Osten reisen bis Dire Dawa. Welcher Kontrast, von den Nomaden im Nationalpark hin zu einer modernen Großstadt! Das Industriezentrum des Ostens macht tatsächlich einen modernen Eindruck mit Industriekomplexen vor den Toren.

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