Im Reich der Hyänen: Reisebericht aus Zambias wildem Westen

von Carina Grüninger

Ochsenkarren an der Straße der Magobäume (Sambia)
Idylle an der Straße der Mangobäume: Ochsenkarren sind hier im Westen Sambias das übliche Transportmittel. © Foto: Heiko Genzmer

Nur langsam geht es unter den tief hängenden, schweren Ästen der Mangobäume voran. Die Mango Tree Road (Straße der Mangobäume) erstreckt sich auf über 90 Kilometern im unerschlossenen Nordwesten von Sambia (englisch: Zambia).

90 Kilometer klingen für ein europäisches Ohr nach nicht einmal einer Stunde Fahrzeit. Anders in Afrika. Auf unbefestigten Straßen, die in Europa eher als Feldwege bezeichnet werden würden, dauert das bei einem Schneckentempo von teilweise weniger als 15 Stundenkilometer einen ganzen Tag.

Unsere Reise bringt uns in eine Region, in der Touristen so selten sind, daß manche der Kinder in den Dörfern vor unserem großen Land Rover mit den weißen Passagieren weglaufen. Das Ziel unserer Entdeckungsreise ist der Liuwa Plains Nationalpark in den Barotse Flutebenen. Unsere Recherche in den gängigen Reiseführern riet uns eher von diesem Ziel ab und konnte keine genauen Auskünfte geben. Auch gibt es kein offizielles Kartenmaterial, geschweige denn Informationen zu den Straßenverhältnissen in dieser Region.

Die Nähe zu Angola, wo bis Ende 2002 Bürgerkrieg herrschte, ist sicher ein Grund für den verhaltenen Tourismus im Nordwesten Sambias. Die Grenzgebiete sind seit Beendigung der Unruhen jedoch wieder sicher.Nichts konnte uns davon abhalten, diese Gegend zu entdecken. Nach einer anstrengenden Reise bis Kalabo, dem Tor zum Liuwa Plains National Park, machten wir uns auf die Suche nach dem Wildlife Office. Hier waren wir nun im wirklichen Afrika, getreu dem Werbemotto von Sambia, das sich „The Real Africa“ nennt, angekommen.

Mindestens zehn Wildlife Officers in Khaki-Uniformen begrüßten uns in einer baufälligen Hütte. Das einzige Informationsmaterial über den Park war ein von Hand gezeichneter Plan, der an der Tür hing. Ein Gästebuch im Office gab Aufschluß über die Besucherzahlen der vergangenen Jahre. Durchschnittlich verzeichnet Liuwa Plains jährlich nicht mehr als 200 bis 250 Besucher.Ausgestattet mit einer digitalen Aufnahme der Karte und vielen guten Ratschlägen der Ranger, machten wir uns auf den Weg ins Ungewisse. Nun lag nur noch der Luanginga Fluss zwischen uns und dem Park. Durch die starken Regenfälle der letzten Wochen hatte sich der Wasserstand verdoppelt.

Gnuwanderung zwischen dem Osten Angolas und den Liuwa Plains im Westen Sambias
Tausende Gnus erreichen im November auf ihrer langen Wanderung die Liuwa Plains im Westen Sambias. © Foto: Heiko Genzmer

Glücklicherweise war unser Land Rover auf Tauchgänge vorbereitet. Die Überquerung war gewagt, aber im Endeffekt dann wirklich glücklich und problemlos. Unser Abenteuer brachte uns in ein unentdecktes Paradies. Der Empfang im Park war atemberaubend. Riesige Gnuherden bedeckten die goldenen Grasflächen von Horizont zu Horizont.Im November beginnen Tausende von Gnus ihre Wanderung gen Süden. Sie starten im angolischen Kameia Nationalpark und erreichen zu Beginn der Regenzeit ihr Ziel, die Liuwa Ebenen. In Liuwa Plains bestätigte sich der Eindruck, daß der Name Gnu von dem monotonen Gnuhen der Kuhantilopen stammen muß. Neben tausenden von Gnus, wurden wir auch durch ein faszinierendes Vogelleben belohnt. Hunderte von Kronenkranichen mischten sich fröhlich unter die faulen Hyänen, die sich an den Wasserlöchern ausruhten.

Hyäne in einem Blütenmeer.
Sie sind die Könige des wilden Reiches im entlegenen Westen Sambias: Nirgends sind wir so gelassenen Hyänen begegnet wie in Liuwa PLains. © Foto: Heiko Genzmer

Dieses vergessene Stück Afrika fasziniert besonders wegen seiner vollkommen unberührten Natur. Während unserer fünf Tage im Park erlebten wir atemberaubende Begegnungen mit bis zu zehn relaxten Hyänen, die sich um ein Wasserloch aalten. Kein Zweifel: Die Hyänen fühlten sich als Könige dieses wilden Reiches. Nach den himmlischen Tagen in Liuwa Plains, machten wir uns auf den Weg in Richtung Sioma. Die Strecke führte uns entlang des mächtigen Sambesi-Flusses, auf einer Straße, die aus mehr Schlaglöchern, als Teer bestand. Statt zu fahren, erfreuten wir uns an einem kleinen Slalomrennen. Das Ziel der nächsten Etappe waren die Sioma Wasserfälle (auch unter dem Namen Ngonye Falls bekannt). Die Abgelegenheit dieser Wasserfälle machen Sie zur Pflicht jeder Tour, die durch diese Region führt. Wenn es die 300 Kilometer flußabwärts liegenden Victoria Wasserfälle nicht gäbe, zählten die Sioma Falls sicherlich bereits zu einer der touristischen Hauptattraktionen Sambias. Glücklicherweise sind sie dies nicht.Die Nacht verbrachten wir in einem Camp am Ufer des Sambesi. Früh am nächsten Morgen trafen wir an der so genannten Fährstation den jungen Mann, der uns zu den Fällen führen sollte.

Sioma-Wasserfälle (ambia)
Naturspektakel etwa 300 Kilometer flußauwärts von den Victoria-Fällen: Die Sioma oder Ngonye Falls im Westen Sambias. © Foto: Heiko Genzmer

Die Fähre war ein hölzerner Einbaum, der höchstens vier Passagiere (mehr oder weniger sicher) befördern konnte. Nach einer eher rauen Überfahrt - glücklicherweise hatten die sambesischen Krokodile schon gefrühstückt - erreichten wir das andere Ufer. Der weiße, weiche Sand, machte ein Vorankommen sehr anstrengend. Die einstündige Wanderung zu den Fällen führte uns durch unberührte Natur. Wir durchquerten einen wunderschönen Wald aus Teak-, Marula- und Mopanebäumen. Und dann lagen endlich die hufeisenförmigen Wasserfälle vor uns. Über 20 Meter fallen die Wassermassen in die Tiefe. Ein Traum! Und die absolute Abgeschiedenheit und Einsamkeit machen die Sioma Falls zu etwas Einzigartigem, das jede Mühsal der Reise wert war.

(Reisebericht von Carina Grüninger aus dem Jahr 2002. Seit dieser Pilot-Tour gibt es jedes Jahr eine geführt Camping-Safari von Livingstone aus in Sambias wilden Westen.)

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