Reisebericht Rovos Rail: Pride of Africa (2)
Durban-Pretoria, Mai 2007
Nach Sonnenuntergang gehe ich zurück ins Abteil und dusche. Auch einen Fön gibt es im kleinen Bad. Für eigene Elektrogeräte sind Steckdosen vorhanden. Sie sind nach südafrikanischem System gebaut, aber natürlich liegen auch Adapter bereit. Ich hole mein Jackett und die Krawatte aus der Reisetasche. Zwei Wochen lang habe ich diese beiden Kleidungsstücke unbenutzt durch Botswana geschleppt. Dort wären sie selbst in nobleren Lodges nicht üblich. Im Rovos Rail aber erfüllen Schlips und Sakko gerade die Mindestanforderung an die Abendgarderobe beim Dinner. Dieser Punkt hatte bei mir vor der Reise für die meisten Bedenken gesorgt. Für mich ist es eine von insgesamt zwei Gelegenheiten in diesem Jahr, zu denen ich eine Krawatte trage.
Später beim Essen bin ich mir sicher, dass eine gewisse Förmlichkeit hier durchaus angebracht ist. Sie passt einfach in diese Atmosphäre. Zum Glück geht es hinter der förmlichen Fassade einigermaßen locker zu.
Kurz vor 20 Uhr läuft eine Hostess mit einem Gong durch den Zug, um das Dinner anzukündigen. Die Tische im Speisewagen sind edel gedeckt. Zu Abend werden insgesamt fünf Gänge serviert. Beim Hauptgericht wähle ich den Butterfisch - und bereue es nicht. Wie man ein Essen in dieser Vielfalt und Qualität in einem so engen, wackligen Zug zubereiten und so perfekt servieren kann, bleibt mir ein Rätsel.
Mr. Vos hat heute persönlich die Rolle des Zugmanagers übernommen. Er trägt immer ein Funktelefon bei sich, um kontrollieren und organisieren zu können. Im Speisewagen, wo alle Gäste ihr Abendessen in einer Sitzung einnehmen, bleibt er an den Tischen kurz stehen, wünscht einen guten Appetit und verabschiedet sich wieder, weil gerade irgend ein technisches Problem zu lösen ist.
Nach dem Essen gehen wir noch in den Barwagen am Ende des Zuges. Anders als in einem steril abgedichteten deutschen ICE hat man auf dem Weg durch diesen Zug an jedem (recht wackligen) Übergang zwischen den Wagons Kontakt zur kühlen Außenluft. Trotz des ganzen Komforts an Bord bleibt es eben immer noch ein richtiger alter Zug. Die Faszination, die aus dieser Mischung erwachsen kann, ist es wohl, die die Leute heute Abend bei Gin Tonic oder einem richtig guten Cognac so schwärmen oder zumindest selig träumen lässt.
Apropos träumen, als ich in meine Suite zurückkehre, ist die Bettdecke elegant zurückgeschlagen, obenauf liegt eine Sektflasche samt Kristallgläsern. Beim Einsteigen heute Mittag hatte ich mich noch gewundert, dass die Minibar nicht mehr anbot als Mineralwasser und Sekt. Später entdeckte ich dann den Bestellzettel mit einer breiten Getränkeauswahl. Ich markierte dort zwei Punke mit der Mengenangabe 1 x. Während des Dinners hatten fleißige Hände alle Wünsche erfüllt, allerdings mit jeweils zwei oder drei Flaschen von der gewünschten Sorte samt den passenden Gläsern. Nun bin ich aber längst zu satt und zu müde und gehe, ohne eine der Flaschen zu öffnen, ins Bett.
Um 0.30 Uhr hält der Zug an, erst gegen 5 Uhr fährt er endlich wieder los. Beim langsamen, gleichmäßigen Rhythmus des typischen alten Eisenbahngeräusches, wenn die Räder über die Gleise hüpfen, schlafe ich wieder ein. Genau so hatte ich mir Schlafen auf Schienen vorgestellt. Rovos schreibt in den Informationen an Bord: „Und zuletzt noch: Die Gleise, über die wir fahren, werden nur unregelmäßig gewartet. Sollten Sie einen leichten Schlaf haben und in der Nacht mit dem Eindruck aufwachen, daß der Zug mit Hochgeschwindigkeit fährt, so seien Sie versichert, dass dieser Eindruck nur durch den Zustand der Gleise unter Ihnen entsteht. Unsere Höchstgeschwindigkeit beträgt 60 km/h und wird für schlechte Streckenabschnitte auf bis zu 20 km/h reduziert. Eine Schlaftablette oder ein bisschen mehr von Ihrem Lieblingsschlummertrunk kann hier also angebracht sein. Ohrstöpsel finden Sie in Ihrer Tasche mit Annehmlichkeiten …“
Das Frühstück wird zwischen 7 und 10 Uhr serviert. Eine Platte mit Schinken, Wurst, Käse, Lachs und Krabben steht zur Selbstbedienung bereit. Croissant, Honig, Marmelade und frisches Obst gehören natürlich auch dazu. Aber außerdem gibt es auch noch eine Karte, die mehrere warme Frühstücke zur Auswahl stellt, von Eiern florentinisch bis zum Minutensteak.
Gegen Mittag kommen wir in Centurion, einem Vorort von Pretoria an. Hier werden die Dieselloks gegen historische Dampflokomotiven ausgetauscht. Auf dem Nachbargleis steht der Rovos-Zug aus Kapstadt, so dass man das technische Schauspiel gleich in doppelter Ausführung erleben kann. Die Passagiere steigen durchs Gleisbett, um die besten Foto-Positionen zu besetzen. Viele klettern auch auf die Führerstände der Loks, um sich fotografieren zu lassen. Gerade bei Frauen, die auf dünnen, hohen Absätzen unterwegs sind, ist es durchaus ein abenteuerliches Unterfangen. Rohan Vos nutzt die Gelegenheit, auf dem Bahnsteig die Passagiere des gegenüber haltenden Rovos-Zuges einzeln per Handschlag zu begrüßen. „Schön, dass Sie mit uns reisen“, sagt er dazu. Und die Gäste aus dem anderen Zug tuscheln nun: „Ist das etwa der Herr Vos persönlich?“
Zurückgekehrt in die Suite stecke ich 15 US-Dollar in den Umschlag mit der Adresse „To the attention of the train manager“. In den Passagierinformationen wird ein Betrag von 10 bis 15 Dollar als angemessenes Trinkgeld pro Gast pro Tag für die gesamte Belegschaft genannt.
Bald wird mein Gepäck abgeholt. Langsam rollen wir in den Rovos-eigenen Bahnhof „Capital Park“ ein, unsere Endstation. Die Bahnhofsuhr, der plüschige Aufenthaltsraum, alles erinnert an die Epoche, an der sich der Rovos Rail orientiert. Allerdings wirkt der Bahnhof trotz des historischen Mobiliars ein bisschen wie nachträglich errichtet, nicht mehr ganz so authentisch wie der Zug selbst. Aber das muss wohl so sein, hier an der Schnittstelle zur modernen Welt, wo Taxis und Minibusse die Passagiere abholen. Diese Autos sind modern, komfortabel - in Sachen Stil und Eleganz aber mehr als nur 100 Jahre von dem entfernt, was Rovos Rail verkörpert.
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